Samstag, 12. April 2014

Erkennen und Erklären

Um Zusammenhänge zu erklären, muss man erst einmal DAS  GANZE in seinen Zusammnhängen erkennen, soweit als möglich.

Dabei spielt das Unbewusste eine entscheidende Rolle!

Der Ethologe Rupert Riedl weist zu Recht darauf hin, dass man nur etwas erklären kann, was man vorher erkannt hat:

„Erkennen beruht auf dem simul hoc der Gestaltwahrnehmung und ist großteils vorbewußt angelegt, das Erklären auf dem propter hoc, das großteils als bewußte Konstruktion der Erfahrung hinzuzufügen ist. Erkennt man diesen Unterschied nicht, kann es geschehen, daß das noch nicht Erklärbare aus der Welt des Erkennbaren verloren wird.“(Riedl 2000:341)

Und dieses ganzheitliche Erkennen der Gestaltwahrnehmung setzt phänomenologisch voraus, sich zumindest möglichst viele emotional-ideologische Filter als Hintergund der eigenen Wahrnehmung bewusst zu machen.

Ein "unmenschliches", aber mögliches Unternehmen, soziologisch gesehen!
 

2 Kommentare:

  1. vermutliche eher eine Frage der Soziologie, oder welcher Soziologie - soziologisch gesehen, also wenn man nicht einfach voraussetzt, was Soziologie und soziologisch bezeichnet.
    Mir scheint das Ganze hier eher verkappt riedlsch gesehen

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  2. Soziologisch betrachtet ist diese Erkenntnis Riedls höchstrelevant. Wenn ich soziale Prozesse und Strukturen realitätsgerecht erfassen und erklären will (natürlich gibt es vorwissenschaftlich orientierte Soziologen, die gar nicht diese Absicht haben), muss ich zwischen der komplexitätssteigernden Erfassung von TEILzusammenhängen und der komplexitätsreduzierenden Wahrnehmung der GESTALT des GESAMTzusammenhangs unterscheiden.
    1980 war ich als einer der Wenigen fasziniert von Luhmanns Komplexitätssteigerung und seiner Relativierung der ideologisch-emotional begründeten, dominierenden soziologischen Theorien und Methodologien (methodologischer Individualismus, marxistische Theorien, Habermas' rationaler, gesellschaftlicher Diskurs usw.).
    Heute sehe ich, dass die Metatheorie Luhmanns selbst zu einer Komplexitäts-Ideologie verkommen ist und der intellektualistische Konstruktivismus den Fortschritt der Soziologie behindert.
    Wenn man den Entdeckungszusammenhang Luhmanns als ökonomisch unabhängiger Sohn eines Brauereibesitzers, seine systematische Fernsehabstinenz (nach 50 Jahren, auch milieubedingtem Fernsehkonsum habe ich mir diese Abstinenz auch gegönnt, sehr entspannend) und einer Verwaltungslaufbahn inkl. juristischem Staatsexamen bedenkt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sein konstruktivistischer Blick auf die soziale Realität einige Konstruktionsmängel enthält. Zumindest, wenn jemand begreift, dass die Einheit von Theorie und Praxis, wissenschaftlich von Theorie und Empirie, Voraussetzung jeder relevanten Erkenntnis von Realität ist.
    Aus seinem Theorie-Spiel, wie er es selber nannte, ist ein Spiel ohne Theorie geworden, das als Soziotainment dem Zeitgeist dient, aber katastrophale, soziale Auswirkungen haben könnte.

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