Mein Kommentar zu einem Kommentar von Prof. Albrecht (www.soziologie.de/blog)
Soziologie ist
offensichtlich zu einem Teil der Unterhaltungsindustrie mutiert.
Soziotainment liegt
voll im Trend der Zeit.
Die naive Vorstellung
von WISSENSCHAFTLICHER Soziologie ist durch die Erfahrungen mit den Schwierigkeiten der Psychologie und
der Ökonomie überholt, wie Herr Prof. Albrecht meint. Die
Soziologie kommt nicht zu dem Schluss, dass deren Probleme z.T. durch
die nicht vorhandene wissenschaftliche Soziologie entstanden sind.
Nein, die universitäre Soziologie ist viel schlauer, sie macht die
Verantwortungslosigkeit und das Soziotainment zum neuen Paradigma.
Damit vermeidet sie die
peinlichen Prognose-und Grundlagenfragestellungen anderer
Sozialwissenschaften. Sie qualifiziert einfach Prognosen und
Kausalitätsvorstellungen als naiven Realismus, genial.
Sie erklärt das
Gründungsthema der Soziologie, nämlich die Erklärung sozialer
Strukturen und ihrer Wirkungen, für überholt und setzt auf
Soziotainment. Der naive Realist, der Strukturen als unabhängig von
individuellen und intersubjektiven Konstruktionen begreift, wird
ersetzt durch den „realistischen“ Intersubjektivisten, der die
„nicht vorhandenen Strukturen“ konstruktivistisch dekonstruiert.
Das nächste Stadium
der Soziotainments wird wahrscheinlich die „Wir wünschen uns was,
liebe Fee!“-Ideologie sein. Die Verantwortungslosigkeit wird
systematisch perfektioniert. Wenn es bei dieser Fee nicht klappt,
wird der nächste systemische Versuch bei einer anderen Fee
gestartet, bis der Wunsch erfüllt wird oder halt nicht. Die
Gesellschaft entwickelt sich von einer narzisstischen Gesellschaft zu
einer schizophrenen Gesellschaft mit einem wahnhaften Zugang zur
Realität.
Dass der
Konstruktivismus gleichzeitig als Absurdität begriffen wird, erhöht
den Jahrmarktcharakter des Soziotainments. Prinzipiell ist der
Konstruktivismus absurd, aber konkret sehr unterhaltsam. Für jeden
ist etwas dabei, die staatlich subventionierte Ideologie-Show
überzeugt fast jeden.
Dasgleiche gilt für
Kausalitätsvorstellungen. Als soziologisch sinnlos betrachtet,
werden sie durch „realistische“ , sinnvolle Korrelationen
ersetzt. Prinzipiell, allerdings in konkreten Einzelfällen werden
dann mit Ursache -Wirkungs-Vermutungen operiert, kein Problem. Herr
Prof. Albrecht, Sie nennen das dann „Plausibilität“.
Wissenschaftstheorie war gestern.
Oder
Wissenschaftstheorie wird situativ „begriffen“, der
Patch-Work-Zeitgeist lässt grüßen.
Die
Wissenschaftstheorie für die Theorie des Waldspaziergangs hat
Hochkonjunktur. Verantwortungslosigkeit für größere Zusammenhänge
ist die zwangsläufige Folge, Gesinnung ist angesagt und nur ja keine
Eindeutigkeit, um Himmels Willen. Dafür könnte man ja im Falle
einer Fehl-Eindeutigkeit zur Verantwortung gezogen werden.
Wer profitiert von
dieser Soziotainment-Entwicklung und dem naiven Intersubjektivismus,
könnte man in altertümlicher soziologischer und kriminologischer
Manier fragen?
Ganz einfach:
- die Lehrbeamten an den Universitäten, die sich literarisch voll entwickeln können, bei guter Bezahlung und Absicherung, risiko-und haftungslos. Ob sie am freien Markt von ihren wichtigen Textproduktionen leben könnten, ist fraglich.
Fast so gut,
karrieretechnisch gesehen, wie die EU-Bürokraten in Brüssel, die
strukturell hervorragend versorgt sind, wenn es um das Verhältnis
von Bezahlung, Absicherung und haftungsloser Verantwortung geht.
- Die demokratische Mittelmaß-Elite. Wenn es keine erkennbare Kausalität in sozialen Systemen gibt, ist sie hervorragend geschützt, vor allen Dingen, wenn etwas schief geht oder sogar Katastrophen passieren. Die Komplexitäts-Ideologie, die die soziologische Systemtheorie gleich mitgeliefert hat, ist dabei sehr hilfreich. Wer will leugnen, dass die Realität komplexer geworden ist. Wer die Frage nach dem „Warum“ stellt, ist ein naiver, hinterwäldlerischer Realist. Von Zukunftsgestaltung und strategischer Planung zu reden, überlässt man den Insassen geschlossener Anstalten.
Wer zahlt für diese
Entwicklung?
Auch ganz einfach!
Wie immer diejenigen,
die von den „nicht vorhandenen Strukturen“ abhängig sind und
beim „Wir wünschen uns was, liebe Fee!“ auf der Strecke bleiben
und leer ausgehen.
Also, um es noch einmal
eindeutig? mit Ihren Worten, Herr Prof. Albrecht, auf den Punkt zu
bringen (lassen wir mal den immanenten Widerspruch beiseite):
„Es gibt keine
sozialen Strukturen da draußen in der Welt, die wir entdecken
könnten …. Strukturen sind begriffliche Erkenntnismittel, die an
intersubjektiv geteilten Wahrnehmungen plausibilisiert werden.“
Klar, oder?
Was passiert aber z.B.,
wenn wie in den Asch-Experimenten 90% der intersubjektiven
Wahrnehmung Propaganda darstellt? Und in der Gesellschaft ist das
noch blöder, die Länge des Strichs kann man nicht nachmessen. Sind
das dann objektive Strukturen oder begriffliche Erkenntnismittel, die
durch die Propaganda entstehen oder wie oder was????????????
Und die Medien sind
begriffliche Erkenntnismittel, die an intersubjektiv geteilten
Wahrnehmungen plausibilisiert werden oder wie oder was??????????
Und Werbung? Ist das
ein begriffliches Erkenntnismittel, das an intersubjektiv geteilten
Wahrnehmungen plausibilisiert wird oder wie oder was????
Oder die Verfassung
usw.usw.usw.?
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